Immer mehr Unternehmen setzen bei ihren Positionierungsentscheidungen auf das sogenannte Ethno-Marketing, d. h. die bewusste Berücksichtigung der spezifischen Kundenbedürfnisse und Anforderungen ethno-kultureller Segmente bei der Formulierung und instrumentellen Umsetzung ihrer Marketingstrategien. Die wachsende Bedeutung dieser strategischen Marketingrichtung wird schon durch den hohen Anteil der in Deutschland lebenden Ausländer evident (Ende 2002 ca. 7.3 Mio. bzw. 8,9% der Gesamtbevölkerung, ohne Spätaussiedler und Eingebürgerte). Eine steigende Anzahl Unternehmen verwenden bereits heute exakt auf z.B. türkische oder osteuropäische Zielgruppen zugeschnittene Marketingkonzepte.
Spätestens seit Kaya Yanar wissen wir, dass in Deutschland ca. 2 Millionen Türken sowie 700.000 sogenannte Deutschtürken (Türken der dritten Generation, die in Deutschland geboren wurden) leben. Diese riesige Zielgruppe ist hinsichtlich ihrer Bedürfnisse sehr homogen und zeichnet sich neben der Heimatverbundenheit durch ein großes Kaufinteresse und Markenbewusstsein aus (ca. 17 Mrd. Euro Kaufkraft pro Jahr). Die durchschnittlichen Einkommen liegen nur minimal unter denen der Deutschen. Eine Marktsegmentierung könnte weiterhin auch im Hinblick auf andere in Deutschland lebende Volksgruppen, wie beispielsweise Spanier, Portugiesen, Griechen, Asiaten Osteuropäer, als Grundlage zielgruppenadäquater Werbe- oder PR-Kampagnen vorgenommen werden.
So könnte beispielsweise oder ein Billigflugunternehmen, welches seit neuestem auch den Flughafen Athen anfliegt, dies sicherlich mit großem Erfolg den in Deutschland wohnenden Griechen zielgerichtet anbieten. Aufgrund dieser segmentorientierten Werbeaktivitäten lässt sich neben einer deutlichen Kostenreduzierung auch eine hohe Responserate seitens der Adressaten erzielen. Eine ethno-kulturelle Marktsegmentierung führt somit zu einer deutlich höheren Effektivität der eingesetzten Werbemittel.
Die Hauptproblematik der Zielgruppenbestimmung beim Ethno-Marketing besteht in der Selektion der relevanten Zielpersonen aus den unternehmenseigenen bzw. erworbenen, externen Adressbeständen, d.h. in der Bestimmung der Personen, die zum anvisierten Kulturkreis gehören. So sollte eine in türkischer Sprache verfasste Werbebotschaft auch tatsächlich ausschließlich an türkischstämmige Adressaten gerichtet werden. Ein wesentliches Problem stellt die oftmals schlechte Qualität sowohl der internen als auch der externen Daten hinsichtlich der Namenskomponenten dar, da die Namen nicht-deutschstämmiger Mitbürger häufig fremd und ungewöhnlich erscheinen und somit schwierig zu interpretieren sind.
Abb. 2 veranschaulicht mögliche Schwierigkeiten bei der namensgestützten Herkunftsbestimmung:
Im ersten Fall handelt es sich bei Süleyman um einen der häufigsten türkischen Vornamen, während das türkische Wort „Kara” ins Deutsche übersetzt „schwarz” bedeutet. Aufgrund der Endung „man” wird Süleyman häufig fälschlicherweise als Nachname interpretiert. Beim zweiten Namen deutet die Schreibweise „Ahmed” weniger auf einen Türken als auf einen aus dem arabischen Kulturkreis stammenden Mitbürger hin, da türkische Namen selten auf „d” enden und die türkische Version dieses Namens „Ahmet” lautet. Der in arabisch-sprachigen Gegenden auftretende Nachname „Felaifel” unterstreicht diese Vermutung.
Der Vergleich des dritten mit dem vierten und des fünften mit dem sechsten Namen verdeutlicht die Einflüsse der türkischen und arabischen Sprache auf muslimische Namen aus dem Gebiet Ex-Jugoslawiens (hier besonders der sogenannten Bosniaken) bzw. auf die Namen der Kosovo-Albaner. Trotz der hohen Ähnlichkeit gibt es jedoch einige linguistische Identifikationsmerkmale und Regelmäßigkeiten, auf die die Herkunftsbestimmung auf Namensbasis gestützt werden kann: So enthalten die aus dem früheren Jugoslawien stammenden Namen oftmals anstelle des in der Türkei verbreiteten „y” ein „j”. Leider ist der bei der Bestimmung der Nachnamen „Alisic” und „Kilic” häufig naheliegende Ansatz über die Namensendung (hier „ic”) in vielen Fällen irreführend. Die Endung „ic” ist sicherlich im Gebiet des früheren Jugoslawiens stark verbreitet, allerdings existiert diese Endung durchaus auch in Zusammenhang mit türkischen Namen (z. B. „Kilic”).
Noch etwas schwieriger gestaltet sich die Bestimmung des letzten Namens. Obwohl die Schreibweise des Nachnamens „Zaczek” spontan auf eine osteuropäische Herkunft hinweist, existiert dieser Name bereits seit vielen Generationen auch in Deutschland. Eine vermeintlich eindeutige Zuordnung solcher Namen zur osteuropäischen Zielgruppe könnte auf große Ablehnung stoßen.
Nicht minder komplex gestaltet sich die Identifizierung und Zuordnung afrikanischer Namen, da diese häufig Vornamen aufweisen, mit denen eher ein Unternehmen als ein Name einer Privatperson assoziiert wird, wie die folgenden Beispiele veranschaulichen:
Sunday Oliseh
Foto Nkossi
Jacques Festival Ndoutoumve
Diese Beispiele vermitteln einen ersten Eindruck von der Problematik der namensbasierten Herkunftsbestimmung.Welche Lösungsansätze gibt es denn nun und welche ermöglichen eine hohe Erkennungsrate mit minimaler Fehlerquote?
Der Wert des Wissens um die ethnische Herkunft einer Person im Rahmen zielgruppengerichteter Werbebotschaften ist seit längerer Zeit bekannt und steht besonders im Zuge der wachsenden Bedeutung der One to One-Ausrichtung des modernen Marketings außer Zweifel. Aus diesem Grunde wurden bereits diverse Konzepte entwickelt, denen entweder Vornamenslisten und/oder Nachnamensendungen bei der Herkunftsermittlung zugrunde liegen. Die oben vorgestellten Beispiele zeigen jedoch, auf welche Probleme solche Lösungen sehr schnell stoßen. Nachnamensendungen wie „man”, „ova”, „top”, etc. können in vielen verschiedenen Ländern vorkommen. Hinsichtlich der Vornamen gibt es zwar eine Vielzahl von ursprünglich einem bestimmten Herkunftsgebiet zuzuordnenden Namen, viele davon sind jedoch längst in zahlreichen anderen Ländern durch Modetrends verbreitet und eingebürgert. So ist nicht automatisch “Jacqueline” Französin und “Marco” Italiener.
Die oben aufgeführten Probleme lassen sich im Grunde nur durch eine wirksame Kombination verschiedener Maßnahmen lösen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
- Jeder einzelne Vorname muss manuell auf seine möglichen Herkunftsmerkmale geprüft und bewertet werden. Dabei müssen bestimmten Vornamen ggf. auch mehrere entsprechende Herkunftsländer zugeordnet werden (z. B. “Andrea”, “Jana”, “Nico”)
- Alle Nachnamen müssen ebenfalls auf ihre möglichen Verbreitungsgebiete überprüft und Multiherkunftsflags entsprechend gesetzt werden.Weiterhin müssen Einbürgerungen ursprünglich fremdländischer Namen (z. B. “Schimanski”) berücksichtigt werden.
- Bei der ganzheitlichen Beurteilung eines Namens müssen die unter 1. und 2. erarbeiteten Abstammungsinformationen in der individuell vorkommenden Kombination in einer Regeltabelle abgelegt werden, die wiederum die eigentliche Abstammung als Ergebnis ermittelt.
Diese Vorgehensweise erweist sich als extrem aufwendig und langwierig. Für die linguistische Herkunftsbestimmung der Namen müssen Sprachwissenschaftler und nicht zuletzt muttersprachliche Experten aus den jeweiligen Ländern hinzugezogen werden. Das Resultat dieser komplexen und differenzierten Methode besteht jedoch in einer effektiv funktionierenden Lösung, mit der sich z. B. mehr als 85% der in Deutschland lebenden Personen im Hinblick auf ihre Herkunft zurückverfolgen lassen. Die so abgegrenzten Kundensegmente können gezielter, effizienter und kostengünstiger angesprochen und beworben werden.
Eine weitere bedeutende Zielgruppe im Rahmen des Ethno-Marketing stellt die große Bevölkerungsgruppe (vgl. Abb. 3) der sogenannten (Spät-)Aussiedler aus den osteuropäischen Ländern dar. Da sie gem. Art. 116 des GG einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben, sind sie selbstverständlich nicht in der oben genannten Zahl von 7.3 Mio. Ausländern erfasst. Da Art. 116 GG auch für die osteuropäischen Ehepartner greift, bestehen nicht zuletzt aus diesem Grund noch weitreichende Verbindungen in diese Länder. So könnte ein Angebot über einen neuen, attraktiven Telefontarif in die jetzigen Staaten der ehemaligen UdSSR für diese Zielgruppe von besonderem Interesse sein.
Trotz sorgfältiger und gründlicher Vorgehensweise ist eine vollständige Identifizierung eines Adressbestandes u. a. aufgrund der folgenden Ursachen niemals möglich:
- Schreibfehler lassen eine eindeutige Herkunftsbestimmung nicht mehr zu, z. B. kann „Ahmed Özman” durch eine fehlerhafte Schreibweise des Vornamens nicht mehr als türkischstämmig erkannt werden.
- Durch Vermischungen des Vor- und Zunamens (z. B. durch Heirat) ist eine einzige eindeutige Herkunft nicht mehr gegeben (z. B. „Sükriye Müller”). - Ausnahmen sind immer möglich. Ein Deutscher namens „Zimmermann” kann natürlich sein Kind „Etienne” oder „Aytac” nennen. Aber selbst die nicht eindeutig einer Herkunft zuzuordnenden Personen können möglicherweise zu einer geeigneten Zielgruppe zusammengefasst werden. So können z. B. für ein Unternehmen alle türkischstämmigen Frauen mit deutschem Ehemann eine für ein bestimmtes Angebot besonders reizvolle Zielgruppe darstellen.
Zum Schluss soll nicht verschwiegen werden, dass es noch einige weitere Schwierigkeiten gibt, wie z. B. die eindeutige Definition der einzelnen Herkünfte und deren Abgrenzung untereinander. Eine landesspezifische Einteilung (z. B. Frankreich, Italien, Griechenland, Deutschland, etc.) ist in vielen Fällen zwar möglich, aber nicht immer einfach. So gibt es mehrsprachige Länder (z. B. Schweiz, Belgien), wo natürlich auch die Namen unterschiedlichen Ursprungs sind. Oft reicht auch die Kategorisierung nach Ländern nicht aus, z. B. finden sich die „typisch” arabischen (oder besser muslimischen) Namen in unterschiedlichen Kontinenten.